Verspäteter Weihnachtsmann zur rechten Zeit
Eine Hälfte der Warenspenden von 2 x Weihnachten verteilt das SRK in der Schweiz, die andere in Osteuropa. Wenn im Frühling die Wintervorräte zur neige gehen, sind die Menschen besonders dankbar für Nahrungsmittel. Josef Reinhardt, Verantwortlicher für 2 x Weihnachten beim SRK, berichtet von der Warenverteilung in Weissrussland.
Ich muss gestehen, bis vor fünf Jahren wusste ich so gut wie nichts über Weissrussland. Dies änderte sich, als ich zum ersten Mal in das osteuropäische Land reiste, um zusammen mit dem Weissrussischen Roten Kreuz die Waren der Aktion 2 x Weihnachten im Land zu verteilen. Seither habe ich immer mehr über die tragische Vergangenheit erfahren. Nun reise ich zum vierten Mal als «verspäteter Weihnachtsmann» nach Minsk und bin immer wieder berührt über die Einzelschicksale, die mir erzählt werden.
Zur rechten Zeit Die Menschen, die wir besuchen, gehören zu den ärmsten. Sie werden uns vom Weissrussischen Roten Kreuz vermittelt, das benachteiligte Menschen auch längerfristig unterstützt. Vor allem mit einem Besuchsdienst für Kranke.
für Humanité 2/2013 von Tanja Pauli
65 Kinder, ein inoffizieller Hund und eine Waschmaschine
Text Monika Tschopp
1'523 Kilometer oder rund drei Flugstunden entfernt liegt Minsk, die Hauptstadt von Weissrussland. Keine Destination aus dem Reisekatalog. Für die Einreise braucht es ein Visum und eine offizielle Einladung. Es ist Ende April. Wir sind eine kleine Reisegruppe. Josef Reinhardt, Leiter Katastrophendienst des SRK, seiner Tochter Sophie, Fotograf Frank Schwarzbach und ich. Unser Ziel: ein Kinderheim im Süden des Landes; ein SRK-Projekt, unterstützt von der Allianz Suisse und ihren Mitarbeitenden.
Kein Ende von Tschernobyl
25. April 2013, 7.00 Uhr in der Früh. Der Rotkreuzbus wartet schon vor unserem Hotel in Minsk, zusammen mit zwei Mitarbeiterinnen des Weissrussischen Roten Kreuzes. Irina wird unsere Gespräche mit den russischen Partnern heute für uns übersetzen. Es ist kalt. Ein eisiger Wind bläst, jagt die Wolken vor sich her. Die Stadt schläft noch, hier und da warten Menschen an Busstationen. Schon bald liegt die Stadt hinter uns. Jetzt gibt es nur noch uns, keine Menschenseele weit und breit. Die schnurgerade Strasse führt durch endlose Wälder. Wir schmunzeln über Strassenschilder, die vor Bären warnen. Die Strassen werden schlechter, wir kommen nur noch langsam voran. Erneut Warnschilder. Jetzt sind sie plakatgross und in gelber Signalfarbe. Sie warnen vor Radioaktivität. Kein Schmunzeln ist jetzt mehr auf unseren Gesichtern. Der Geigerzähler im Auto schlägt leicht aus. 25 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ist hier die Gegend noch immer verstrahlt, die Böden kontaminiert. Nach vier Stunden erreichen wir das Kinderheim in Rechsita.
Das Selbstbewusstsein stärken
Heimdirektor Victor Rudenko empfängt uns herzlich und in gutem Deutsch. Bei einer Tasse Tee erzählt er uns von dem Projekt, welches die Heimleitung zusammen mit den Kindern durchführt. Victor hat den Glauben an die Zukunft nicht verloren. Begeistert berichtet er über den Schul- und Werkunterricht oder über die Freude der Kinder in den Tanz- und Gesangsstunden. "Das stärkt das Selbstbewusstsein und die Gesundheit der Kinder", erklärt er, "und vor allem: es macht ihnen Freude." Insgesamt 65 Kinder sind zurzeit im Heim, ungefähr gleich viele Mädchen wie Knaben, im Alter zwischen 4 und 18 Jahren. Als Lehrer, Erzieher und Pflegepersonal engagieren sich insgesamt 84 Personen. Nahezu alle Kinder hier sind körperlich oder geistig behindert. Nur die wenigsten leben in ihren Familien. Meist sind sie hier, weil ihre Eltern oder Verwandten keine Zeit für sie und ihre Behinderung haben. Hier in Rechitsa war die Strahlung nach dem Tschernobyl-Unglück besonders schlimm. Offizielle Erhebungen über die Schwere der Verstrahlung existieren nicht.
Ein Besuch im Wäschehaus
Viktor nimmt uns mit auf einen Rundgang. Das Hauptgebäude, 1963 erbaut, besteht aus zwei Etagen und umfasst mit den Nebengebäuden und dem Garten rund vier Hektar Land. Wir besuchen das Wäschehaus. "Diese Waschmaschine haben wir von dem Spendengeld gekauft", strahlt er. "Bis jetzt hatten wir nur eine kleine Maschine – zehn Jahre alt, die ging alle zwei Wochen kaputt. Mit Ihrer Spende konnten wir uns eine ausländische Industriemaschine leisten, diese Dinger kosten etwa 13'000 Euro. Und einen neuen Tumbler konnten wir kaufen. Das erleichtert das Waschen für so viele Kinder ungemein." Vor dem Wäschehaus sitzt ein Hund in der Sonne. Auf die Frage, ob das der offizielle Heimhund sei, lacht Victor Rudenko: "Nein, das ist auch ein Heimatloser. Eigentlich dürfen wir keine Haustiere halten. Aber der Hund tut den Kindern gut. Also bleibt er."
Greenland im April